Fatigue aktiv entgegenwirken Energiemanagement-Schulung (EMS) bei Multipler Sklerose

Weise, Andrea and Hersche-Cupelli, Ruth (2019) Fatigue aktiv entgegenwirken Energiemanagement-Schulung (EMS) bei Multipler Sklerose. Ergoterapie und Rehabilitation, 58 (1). pp. 16-20.

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Abstract

Fatigue ist ein Symptom das bei vielen Erkrankungen auftritt und Betroffene in ihrer Lebensgestaltung einschränkt. Fatigue wird als ein subjektiver Mangel physischer und/oder psychischer Energie definiert, der vom Einzelnen oder Angehörigen bzw. Pflegepersonen wahrgenommen wird und der das Ausführen üblicher und gewünschter Aktivitäten beeinträchtigt. Aktivitätsbedingte Erschöpfung, wie bspw. nach einem Marathon oder einem langen Tag Arbeit, kennen alle Menschen. Im Gegensatz dazu ist die „pathologische“ Fatigue eine tiefe physische und/oder mentale Erschöpfung, die sich durch Ausruhen oder Schlaf nicht (ausreichend) erholt und nicht im Verhältnis zu der zuvor erbrachten körperlichen oder kognitiven Leistung steht. (Lorenzen 2010; Swain 2000) Im Bereich der neurologischen Erkrankungen können unter anderem Menschen mit Multiple Sklerose (75-95%; Messmer Ucelli 2012), Amyothrophe Lateralsklerose (Gibbons et al. 2018), nach Schlaganfall (ca. 35% auch noch nach einem Jahr; Eskes et al. 2015) oder mit Querschnittsymptomatik (ca. 50%; Anton et al. 2017) betroffen sein. Im Bereich der Krebserkrankungen tritt Fatigue bei ca. 80% der Betroffenen auf. Diese kann schon vor der Diagnosestellung auftreten, ist aber vor allem bekannt während der Behandlungsphase und kann nach der Genesung als Restsymptom bestehen bleiben (Bourmaud et al. 2017). Auch Menschen mit entzündlichen und rheumatologischen Erkrankungen wie Fibromyalgie oder SLE (ca. 90%; Cleanthous et al. 2012) berichten von Fatigue als einem sie stark behinderndem Symptom. In einer Studie mit Menschen nach einem Herzstillstand berichtete über die Hälfte der Betroffenen auch nach durchschnittlich drei Jahren noch von Fatigue betroffen und eingeschränkt zu sein (Wachelder et al. 2009). In der palliativen Versorgung ist bekannt, dass bis zu 80% der Patienten Fatigue als Symptom wahrnehmen (Berge et al. 2018). Alle Personen, die aus irgendeinem Grund mit Fatigue leben müssen, sind mit den gleichen Konsequenzen konfrontiert: Es ist ein für andere unsichtbares Symptom, das schwierig zu behandeln ist, das sich auf die Leistungsfähigkeit in allen Bereichen des Lebens (z.B. in der Familie, bei der Arbeit, im Freundeskreis) auswirkt, zu einem Verlust an Teilhabe und Lebensqualität führt und eine Quelle psychischer Belastung darstellt (Messmer Ucelli 2012; Mohanasuntharaam/Hui-Ting 2015; Wijesuriya et al. 2012). Im heutigen Gesundheitswesen sollte die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit verwendeter Interventionen nachweisbar sein. Packer et al. haben 1995 ein Behandlungshandbuch für Ergotherapeutinnen und -therapeuten publiziert, in dem sie eine über sechs Wochen laufende, ambulante Gruppenbehandlung für Menschen mit Fatigue detailliert beschreiben. In dieser Schulung werden die Teilnehmenden angeleitet sich mit der ihnen zur Verfügung stehenden Energie auseinanderzusetzen und energiesparendes Verhalten in ihren Alltag zu integrieren, um die negativen Folgen von Fatigue auf ihre Partizipation und Lebensqualität zu reduzieren. Verschiedene klinische Studien (Mathiowetz et al. 2005; Sauter et al. 2008) und Meta-Analysen (Asano/Finlayson 2014; Blikman et al. 2013) konnten die Wirksamkeit dieser Behandlung bei Menschen mit Multiple Sklerose (MS) belegen. Dank der positiven Datenlage wurde diese Art der Energiemanagementschulung, neben einer regelmäßigen körperlichen Aktivität und einer eventuellen medikamentösen Behandlung, bei MS-bedingter Fatigue als Behandlungsstandard definiert (NICE 2014). Ähnliche, auf die Optimierung des Energiemanagements im persönlichen Alltag orientierte, Schulungsinterventionen gibt es für Fatigue-Betroffene mit anderen Grunderkrankungen und, falls vorhanden, sind auch diese in den Best Practice Empfehlungen aufgenommen. Da bis anhin kein Therapiematerial für die strukturierte Durchführung solch einer ergotherapeutischen betätigungsorientierten Patientenschulung im Gruppensetting in deutscher Sprache vorlag, das im stationären Rahmen anwendbar ist, wurde ein mehrjähriges Entwicklungs- und Forschungsprojekt lanciert mit dem Ziel, eine Energiemanagement-Schulung (EMS) für Menschen mit Fatigue zu entwickeln, die während einem kurzen stationären Rehabilitationsaufenthalt im Gruppensetting durch Ergotherapeutinnen oder -therapeuten durchgeführt werden kann. Die im ersten Schritt 2016-17 erfolgte Entwicklung und wissenschaftliche Überprüfung des Therapiematerials für stationäre ergotherapeutische Gruppenschulungen bei MS-bedingter Fatigue, wurde von der schweizerischen MS-Gesellschaft, der Stiftung für Ergotherapie Zürich, dem schweizerischen ErgotherapeutInnen-Verband, den Kliniken Valens und dem Labor für Rehabilitationsforschung der Fachhochschule Südschweiz (SUPSI) finanziert. Die Weiterentwicklung des Materials 2018 zu einer diagnoseunabhängigen Version wird von der Stiftung für Ergotherapie Zürich, REHAB Basel, dem Labor für Rehabilitationsforschung der SUPSI und Ergotherapie Impulse unterstützt und finanziert.

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